09.11.2012
Land: Costa Rica
KM: 35.480

Steile Rampen, supersteile Rampen und das endlos… Innerlich habe ich bereits kapituliert, will aber weiterfahren, bis ein Auto von sich aus stoppt, um mich mitzunehmen. Ein kleines Holzauto, das selbst alle Mühe hat die extremen Steigungen zu bewältigen, befreit mich von meinem lächerlichen Ehrgeiz, bringt mich über das steilste Stück.

Direkt nach der Grenze zu Costa Rica bin ich auf die kleine Straße abgebogen. Ich will wenigstens kurzzeitig weg von der mehrspurigen Panamericana, weg von dem „Flachlandgeradel“, hin zu den Menschen, einfach wieder in die Berge.
Die Wege von Roberto und mir haben sich deshalb auch recht schnell wieder getrennt. Sein Bedarf nach Bergen ist seit Peru mehr als gestillt, er will nur noch „flach“, nur noch in Nicaragua, seinem Ziel, ankommen.

Costa Rica ist die „Schweiz“ Lateinamerikas. Die Kühe stehen auf  saftigen Weiden, es hügelt vor sich hin, die Autos sind blitzblank geputzt, alles ist schmuck und sauber. Zum Sonntagmorgen surren in den Vorgärten die Rasenmäher, bevor sich die Leute die Bibel unter den Arm klemmen und in die Kirche spazieren. Leider ist es aber auch ein ziemlich, ziemlich teures Land.

Für mich ist es trotzdem wunderschön. Es duftet und blüht, ist ein einziger, riesengroßer botanischer Garten. Ein grün schillernder Leguan liegt faul am Straßenrand und sonnt sich, eilt vor meinem Rad aber doch sehr schnell davon. Leuchtend blaue, handtellergroße Schmetterlinge schaukeln wie Träumer vor mir her, lassen sich nicht fotografieren, segeln einfach so weiter. Es sind die Bilder für den Kopf und so anstrengend wie es auch ist, ist mir die Belohnung gewiss, bin ich froh, diesen Weg eingeschlagen zu haben.

Ziemlich genau  um 16 Uhr öffnet der Himmel jeden Tag seine Schleusen. Es ist immer noch Regenzeit und wenn man bis dahin kein trockenes Plätzchen gefunden hat, hat man hoffnungslos verloren. Keine Regenbekleidung hält diesen urplötzlichen Wassermassen stand.
Am ersten Tag gönn ich mir dieses Erlebnis, am zweiten Tag  mach ich mich beizeiten auf die Suche, finde aber nichts. Die Häuser liegen weit ab von der Straße, richtige Orte sind nicht auszumachen, die Schulen sind geschlossen und aus den großen Restaurants schallt mir laute Karaoke Musik entgegen.

Ich fahr und fahr, den immer dunkler werdenden Himmel über mir. Wieder ein langer Anstieg,  in der Ferne ein Haus. Das ist es! Dort will ich nach einer Bleibe fragen.
Die große überdachte Veranda scheint wie für mich gemacht, doch auf mein Rufen antwortet zunächst niemand. Dann endlich eine Stimme aus der Tiefe des Hauses und mühevoll erhebt sich eine alte Frau aus dem Liegestuhl.
Ohne zu zögern öffnet sie mir auf meine Bitte hin die Tür und begrüßt mich so herzlich, als hätte sie den ganzen Tag schon auf mich gewartet. Und kaum habe ich mein schwerfälliges Rad unters Dach geschoben, gehen die Schleusentore auf und es gießt. Das war knapp.
Teresita lebt seit vielen Jahren allein in dem großen Haus, seid ihr Mann verstarb und die 5 Kinder davonflogen. Sie freut sich über meinen unerwarteten „Besuch“, telefoniert ihre zwei 15jährigen Enkel Lizz und Julie herbei und diese fragen mir teenagermäßig ein Loch in den Bauch. Die wichtigste Frage der bezaubernden Lizz: Bin ich bei Facebook? 
Schließlich schleppen sie mich zu sich nach Hause, wo mir ihre Mutter ein kaum zu bewältigendes Abendbrot vorsetzt. Mein Spanisch reicht leider wieder einmal nicht aus, um meine Dankbarkeit ausreichend zum Ausdruck zu bringen.
Zurück bei Teresita gehen wir kurz nach 20 Uhr direkt zu Bett. Sie hat mir ein Zimmer zurecht gemacht und als ich noch etwas lese, erschallt kurz darauf ihre resolute Stimme: Ob es denn ein Problem gäbe und wenn nein, so möge ich das Licht löschen…. Klare Ansage!
Am nächsten Morgen steht Teresita zeitig auf, bereitet mir liebevoll ein Frühstück, bäckt Tortillas mit gebratenem Schinken, verwöhnt mich mit einem köstlichen Kaffee und schickt mich mit all ihren Segenswünschen zurück auf die Straße.

Am darauffolgenden Abend schenkt mir Costa Rica ein ganz ähnliches Erlebnis und es ist genau das, was man so meist nur als Alleinreisender erfährt. Alles ist intensiver. Die Begegnungen sind intensiver, weil die Menschen nur auf mich fokussiert sind; die Erlebnisse, der Blick sind intensiver, weil es keine Ablenkung gibt; die Einsamkeit ist intensiver und die Stille ist stiller. Vor allem die Frauen begegnen mir offen, voller Hilfsbereitschaft und Solidarität. Ich genieße es.

Aber dann kehre ich auch gern wieder zurück. Roberto ist nur wenige Kilometer von mir entfernt;  ich nehme für die 200 km den Bus, fahre mit ihm gemeinsam nach Nicaragua/Granada und teile ab da den Weg auf altbewährte Weise wieder mit Leen. 

Leider ist mir in Costa Rica in einem kurzen unaufmerksamen Moment der Fotoapparat geklaut wurden, deshalb: Keine Fotos zu Costa Rica!



zurück

Kommentare

Rainer, 10-11-12 09:04:
Verzaubert von Deinen Reiseberichten.
Danke für die wunderbaren erfahrungen die du mit uns teilst!!
Wenn ich Dir irgendwohin einen kanera ersatz schicken kann ( canon ixsus ) lass es mich bitte wissen .
Weiterhin viele Glückliche stunden woauchimmer !!
R
Katja, 09-11-12 19:22:
Ich lese regelmäßig Deine Reiseberichte. Es sind viele Reiseberichte zu finden im Netz. Deine hauen mich um. Mein Eindruck ist, Du begegnest der Welt mit einer ehrlichen, überzeugenden Offenheit und Neugier. Ich bin mir sicher, Du lässt viele von Dir entzückte Menschen auf dieser Welt zurück. Teresita und alle anderen haben eine weitere schöne Geschichte aus ihrem Leben zu erzählen. Ich wünsche Dir ausdauernde Waden auf dem verbliebenen Weg um die Welt, zurück nach Berlin.
Anne, 09-11-12 13:08:
Wie schöööööön! (also das mit Teresita und den Begegnungen... weniger das mit dem Fotoapparat!) ...........................................................................und ich sagte es ja: Alleinreisen ist was wert! Toll, dass es dir so gut tut!

Kommentar hinzufügen

* Erforderliche Eingabe

*





*
*