21.11.2012
Land: Nicaragua Nicaragua
KM: 35.944

In Dresden hat er schnell noch seine Diplomarbeit verteidigt, bevor er sich ein Kanu kauft und auf der Elbe, über Kanäle und die Oder nach Polen schippert. Dort verkauft er das Boot, ersteht für 200 € ein Flugticket nach Mexiko, kauft da ein einfaches Rad für 100 € und setzt seine Reise Richtung Süden, über Belize, Honduras, Guatemala und El Salvador, fort. Auf der Insel Ometepe, treffen wir Jesus aus Spanien. Glückstrahlend kommt er uns hoch zu Ross entgegen, hat soeben sein altes Rad gegen ein Pferd eingetauscht.
„Als ich jung war“ sagt er, „habe ich davon geträumt, um die Welt zu reisen, dies sei halt der Anfang, 3 Monate“. Ich frage ihn nach seinem Alter: 22! „Als ich jung war“, das war so mit 14. Wir können uns ein Grinsen nicht verkneifen.
Ein wenig verrückt, denken wir so. Doch nachdem wir etwas länger mit ihm sprechen, spüren wir seine Ernsthaftigkeit, seine Offenheit, sein Interesse, von den Menschen zu lernen, die ihm begegnen und er beeindruckt uns, beeindruckt uns mit seinem Mut, seiner Kreativität und seiner Energie.

Ometepe, eine kleine Insel mitten im größten Binnensee Nicaraguas, ist berühmt für seine beiden steil aufragenden Vulkane.  Der 1.610 m hohe „Concepcion“ hat es uns angetan, den wollen wir erklimmen.

Der Weg führt durch dichten feuchten Dschungel, steigt schnell an und als wir bei 1.200 m Höhe die Baumgrenze erreichen, faucht uns ein stürmischer Wind mit aller Kraft entgegen, fegt uns fast hinweg, als wollte er sagen: Verschwindet von hier, dies ist kein Ort für Menschen. 
Es ist in der Tat eine unwirtliche Ecke. Binnen kürzester Zeit ist kein trockener Faden mehr an uns. Wir laufen durch eine dicke Nebelsuppe, Sichtweite keine 5 Meter. Es stinkt, die Schwefeldämpfe brennen in den Augen und die Steine werden immer wärmer, beängstigend warm. Nach reichlich drei Stunden stehen wir am Kraterrand und: Sehen nichts! Der Vulkan Concepcion will sich nicht zeigen.
Doch beim Abstieg ist er für Augenblicke noch einmal gnädig, schenkt uns ein paar großartige Ausblicke, allerdings auch einen mörderischen Muskelkater. Drei Tage später werden wir noch steifbeinig und mit schmerzverzerrtem Gesicht durch die Gegend schleichen. Trotzdem ein schöner Ausflug.

150 km weiter treffen wir in Matagalpa Roberto wieder und besuchen gemeinsam seine Freunde. Sie wohnen im ärmsten Stadtteil, in einfachsten Wellblechhütten und haben uns zum Barbecue eingeladen.
Alberto, 31 Jahre alt und frohgelaunt, ist seit 10 Jahren durch eine Schussverletzung an den Rollstuhl gefesselt. Trotzdem sprüht er vor Energie, gibt drei Mal die Woche Zeichenunterricht, managt ein Basketballteam und will eine Boxmannschaft aufbauen. 
Alfonso, ein anderer Freund von Roberto, bemalt zusammen mit seinem behinderten Bruder Kaffeetüten aus Papier. Für 3 $ werden sie nach Holland verkauft. Ihre Mutter arbeitet immer samstags und sonntags, bäckt für eine soziale Einrichtung jeweils 500 Tortillas und bekommt dafür pro Tag 1.000 Cordobas = 3 €.
Für uns legen sie ein Stück Rippchen auf den Grill, essen selbst nur Reis und Bohnen. Ein Geschenk durften wir nicht mitbringen. Roberto hat es uns ausgeredet, es hätte sie beleidigt. Sie sind glücklich, dass wir sie besuchen, ihre Gäste sind, ihre Musik hören und mit ihnen Bier trinken.  Und trotz all der Fröhlichkeit, bekommen wir kaum einen Bissen runter, gehen nachdenklich und bedrückt wieder zurück in die Stadt und denken einmal mehr darüber nach, was so unsere „Probleme“ sind.

Nicaragua hat wieder das gewisse „Etwas“, ist ursprünglich, nicht so „clean“ wie Costa Rica und die Menschen begegnen uns offen und unvoreingenommen. Doch zu oft spüren wir hier  auch die begehrlichen Blicke auf unsere Räder, auf unser Equipment, haben nicht immer ein sonderlich sicheres Gefühl und nächtigen einmal mehr in Hostals und Kirchen, in der Nähe der Menschen.

Wir besuchen die beiden alten Kolonialstädte Granada und Leon, die zu Recht als die schönsten des Landes bezeichnet werden und verlassen Nicaragua nach 444 Kilometern über eine winzige Straße an der Westküste, tuckern mit einem kleinen Fischerboot über den Golfo de Fonseca zur alten Pirateninsel Meanguera und weiter nach El Salvador.

Die Bilder zu Nicaragua sind online.



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Kommentare

Alexandros, 02-12-12 17:48:
Hallo aus Serbien, gibt es einen Kontakt zu dem Jungen auf dem Pferd...?
Oliver, 24-11-12 22:48:
Gefühlvoller Reisebericht und originelle Fotos. Was mich aber am meisten freut ist, dich auf den Bildern so gesund und fröhlich zu sehen. Weiter so!
Anne, 22-11-12 11:10:
... und ich bin brotfertig, wenn Jakob nur einen Tag lang fast ausschließlich am Schreien ist... "schöne" Probleme! Danke für diese Worte, die auch mich nur nachdenklich machen können. Die Landschaftsbilder sehen allerdings fabelhaft aus! (und der Kuchen auch ;o)) Paßt bitte nur weiterhin auf euch gut auf und kommt weder diesen netten Vogeltieren noch den abgelutschten LKWs zu nahe! *sorgenmach* Ich freu mich jedenfalls wieder verrückt schon wieder auf die nächsten Worte und Bilder!
Rainer, 22-11-12 07:35:
Schliesse mich meinen vorrednern an mit tränen in den Augen.
Danke !
R
Mona + Lutz, 22-11-12 07:15:
Einmal mehr beglückst du uns mit einem wundervollen und nachdenklichen Bericht.
Wieder einmal denkt man dann an seine eigenen "großen" Probleme und dann freut man sich wie "klein" sie doch sind.
Und ganz besonders freuen wir uns natürlich, dass auch wieder Fotos zu sehen sind. Viele schöne Eindrücke weiterhin und herzliche Grüße, auch an Leen.

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